Konformitätsbewertung Teil 8 –
Konformitätsbewertung und Messunsicherheit


Die Messunsicherheit beschreibt die Genauigkeit einer Messung oder einer Prüfung. Die Prüfung ist eine Tätigkeit, die zu einer Feststellung führt, inwieweit ein Prüfobjekt eine Forderung erfüllt. Sie kann qualitativer oder quantitativer Art sein. Die Messung als „Spezialfall“ der Prüfung ist eine Tätigkeit, die zu quantitativen Aussagen über eine Messgröße führt – üblicherweise durch Angabe eines Zahlenwertes mit einer Einheit.

Die Schwankungen der Prüfergebnisse und der Einfluss kleiner Stichproben werden durch die Messunsicherheit beschrieben. Sie definiert ein Intervall, das den Mittelwert der Stichprobe umgibt (Vertrauensintervall) und in dem sich der wahre Wert mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit (Vertrauensniveau) befindet. In der Laborpraxis ist ein Vertrauensniveau von 95% üblich.

Werkstoffprüfungen können nie hundertprozentig genau sein. Schwankungen der Werkstoffeigenschaften im Probenvolumen, geringste Änderungen im Prüfprozess oder kleinste Änderungen im Prüfgerät führen zu Schwankungen der Prüfergebnisse. Die Auswirkungen solche Schwankungen auf die Prüfergebnisse müssen quantitativ beschrieben werden. Zudem kann der „wahre Wert“ einer Werkstoffeigenschaft aus wirtschaftlichen Gründen nie exakt ermittelt werden – dafür wären sehr viele Messungen nötig. In der Praxis werden nur kleine Stichproben geprüft und es muss eine statistische Aussage getroffen werden, wie genau die Ergebnisse kleiner Stichproben (speziell die Mittelwerte) die „wahren“ Werkstoffkennwerte repräsentieren.

Die DIN EN ISO/IEC 17025 verlangt beispielsweise von akkreditierten Prüf- und Kalibrierlaboren, die Messunsicherheit zu berücksichtigen, wenn Konformitätsaussagen getroffen oder interne Kalibrierungen durchgeführt werden. Analoges gilt natürlich auch für eine akkreditierte Inspektionsstelle, sofern sie auf die Ergebnisse von Prüfungen zurückgreift.

Anhand der nachfolgenden Abbildung soll der Zusammenhang zwischen Konformitätsbewertung und Messunsicherheit erläutert werden. Es wird eine normalverteilte Messgröße und ein 95%-Vertrauensniveau zugrunde gelegt. Die Lage des Maximums der Verteilung repräsentiert die Position des Mittelwertes und die Breite des grau schraffierten Bereiches am Fuße der Verteilung das Vertrauensintervall. Der senkrechte Balken kennzeichnet die Konformitätsgrenze – z.B. den mindestens zu erreichenden Messwert für eine Werkstoffeigenschaft. Alle Werte links von dieser Grenze sind dann nicht konform (Mindestwert nicht erreicht). Alle Werte rechts von dieser Grenze sind konform (Mindestwert erreicht).

Zusammenhang zwischen Konformitätsbewertung und Messunsicherheit am Beispiel:

Auf Basis des Messwertes soll über die Annahme oder Zurückweisung eines Produktes entschieden werden und es werden die folgenden sechs Fälle betrachtet:


a) Mittelwert und Messunsicherheit der Messung weisen ein konformes Produkt aus. Es besteht kein Risiko bei der Annahme des Produktes.
b) Mittelwert und Messunsicherheit der Messung weisen die Konformität des Produktes aus. Es besteht bei der Annahme des Produktes zwar ein Restrisiko von weniger als 5%, dies wird aber in der üblichen Praxis als akzeptabel angesehen.
c) Der Mittelwert der Messung deutet auf ein konformes Produkt hin, aber unter Beachtung der Messunsicherheit ist eine eindeutige Konformitätsaussage nicht möglich. Wird das Produkt dennoch angenommen, besteht ein nicht unerhebliches Risiko, ein nicht-konformes Produkt zu übernehmen.
d) Mittelwert und Messunsicherheit der Messung weisen ein nicht-konformes Produkt aus. Es besteht kein Risiko bei der Zurückweisung des Produktes.
e) Mittelwert und Messunsicherheit der Messung weisen die Nicht-Konformität des Produktes aus. Es besteht bei der Zurückweisung zwar ein Restrisiko von weniger als 5%, dies wird aber in der üblichen Praxis als akzeptabel angesehen.
f) Der Mittelwert der Messung deutet auf ein nicht-konformes Produkt hin, aber unter Beachtung der Messunsicherheit ist eine eindeutige Konformitätsaussage nicht möglich. Wird das Produkt dennoch zurückgewiesen, besteht ein nicht unerhebliches Risiko, ein konformes Produkt abgelehnt zu haben.

Um Reklamationen zu vermeiden, sollten Mess- und Prüfergebnisse stets inkl. ihrer Messunsicherheiten im konformen Bereich einer Spezifikation oder Norm liegen (Grenzfall b). Reklamationen sind üblicherweise dann zulässig, wenn sich Mess- und Prüfergebnisse inkl. ihrer Messunsicherheit im nicht-konformen Bereich befinden (Grenzfall e).

Keinesfalls dürfen Messunsicherheiten dazu verwendet werden, um Prüfergebnisse, die bezüglich einer Konformitätsaussage nicht eindeutig sind, aber eine Nicht-Konformität erkennen lassen, so zu interpretieren, dass sie anschließend als konform ausgewiesen werden (Fall f).

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Teil 9: Kompetenz und Vertrauen – die Basis der Konformitätsbewertung

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Teil 7: Konformitätsbewertung und Schadensanalyse


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